Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften (HAdW) ist eine Gemeinschaft von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen. Mitglieder der philosophisch-historischen sowie der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse haben aus diesem Grund ein Interesse an dem Verhältnis zwischen der Geschichtswissenschaft, und den Naturwissenschaften und nutzten die Interdisziplinarität der Akademie, um in einer klassenübergreifenden Arbeitsgruppe sich diversen interdisziplinäre Fragen zu stellen.
Es wurde projektförmig über neue Methoden im Feld der Archäogenetik nachgedacht, da in jüngster Zeit Naturwissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen damit begonnen haben, mit neuen Verfahren historische Daten zu generieren.
Aufgrund des zentralen, auch in der Öffentlichkeit sichtbaren Feldes, eignete sich die Archäogenetik hervorragend für das interdisziplinäres Projekt. Sie analysiert alte DNA – und generiert dadurch neue Daten, etwa zur Verwandtschaft, aber auch zu Migrationen. Dies betrifft beispielsweise die sogenannte Völkerwanderungszeit an der Epochenschwelle zwischen Antike und Mittelalter, mit neueren, viel diskutierten Studien zur Migration von Langobarden, Angelsachsen, Hunnen und weiteren Verbänden mehr. Daneben hat es spektakuläre aDNA-Untersuchungen zu alten Erregern gegeben (etwa zur Justinianischen Pest des 6.–8. Jahrhunderts und zum sogenannten „Schwarzen Tod“ seit dem 14. Jahrhundert).
Die Archäogenetik bildet wahrscheinlich das sichtbarste neue Feld – schon deshalb, weil aDNA-Analysen sehr unmittelbar und öffentlichkeitswirksam in heutige politische Diskussionen über Herkunft und Identität eingehen. Daneben gibt es aber eine wachsende Zahl weiterer Methoden, die aktuell in ihrer historischen Aussagekraft erprobt und diskutiert werden: In der Klima- und Umweltgeschichte spielen beispielsweise Pollenanalysen oder die Untersuchung von Eisbohrkernen eine gewichtige Rolle, bei der Erforschung der Ernährung und Mobilität von Menschen sind Isotopen-Analysen wichtig geworden.
Aus der Sicht der historischen Disziplinen (wie der Geschichtswissenschaft, aber auch der Archäologie) generieren diese neuen Methoden hochinteressante Daten. Sie wirft aber auch grundlegende Fragen interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Naturwissenschaften auf der einen Seite und Geistes- und Kulturwissenschaften auf der anderen Seite auf.