Religiöse und poetische Konstruktion von Lebensalter. Konzeptualisierung und Kommentierung von Alterszäsuren im Lebenszyklus
Die hohe Variabilität des Alterns beim Menschen wirkt sich auch auf das kulturelle Verständnis der Alterungsprozesse und der Altersstufen aus. Der demographische Wandel der Gegenwart wurde eingeleitet durch eine seit gut hundertfünfzig Jahren stetig wachsende Lebenserwartung. Einerseits scheint dadurch der Zusammenhang zwischen Reproduktion, Seneszenz und Mortalität, wie er zunächst von der Evolutionsbiologie angenommen wurde, durch den verlängerten Lebenszyklus immer fraglicher, andererseits haben sich jedoch die kognitiven Vorstellungen des Lebenszyklus vergleichsweise wenig verändert. So sind biomedizinische Empirie und soziokulturelle Konzepte zunehmend in Dissonanz zueinander geraten, wie die Diskussion um das Renteneintrittsalter exemplarisch zeigt. Um erklären zu können, warum trotz deutlich längerer Lebenserwartung in der Moderne tradierte, vor- und frühmoderne Konzepte vom menschlichen Lebenszyklus bis heute fortwirken, ist es erforderlich, die diversen Vorstellungen von den Lebensaltern in einer langen historischen Perspektive zu beschreiben. Anschließend sollte untersucht werden, nach welchen Regeln sie jeweils kognitiv modelliert wurden und wie sie bis heute aufeinander bezogen sind. Der Untersuchungszeitraum reichte von der Zeit des Alten Testaments bis zur neueren Literatur um 1950 und wurde entsprechend der beteiligten vier Disziplinen in vier Zeitschnitte unterteilt. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, wie sich seit der Antike aus den zum Teil topischen Beschreibungsmustern in religiösen und poetischen Texten kulturelle Deutungsspielräume des menschlichen Lebenslaufs eröffneten und wie sich dadurch ein Wandel in Altersdiskursen formieren konnte, der einerseits an tradierte Vorstellungsbilder anknüpfte, diese zugleich aber über die kontextuelle und performative Variation zu überschreiten und erneuern vermochte.
Im Projekt entstandene Publikationen:
- Elm, Dorothee/Fitzon, Thorsten/Liess, Kathrin (2012): Vom weisen zum gelebten Alter. Variationen eines Topos. In: Heinz Häfner und Peter Graf Kielmansegg (Hrsg.): Alter und Altern. Wirklichkeiten und Deutungen. Berlin/Heidelberg, 73–90.
- Fitzon Thorsten/Elm, Dorothee/Liess, Kathrin/Linden, Sandra (Hg.) (2011): Alterszäsuren. Zeit und Lebensalter. In: Literatur, Theologie und Geschichte. Berlin/New York.
- Fitzon, Thorsten/Linden, Sandra/Liess, Kathrin/Elm, Dorothee (2011): Textwissenschaftliche Perspektiven auf eine kulturwissenschaftliche Alternsforschung. Forschungsbericht zum Akademieprojekt "Religiöse und poetische Konstruktion von Lebensaltern". In: Moderne. Kulturwissenschaftliches Jahrbuch 6 (2010/2011): Alter(n).
- Elm, Dorothee/Fitzon, Thorsten/Liess Kathrin/Linden, Sandra(Hg.) (2009): »Der Greis im Frühling«. Schöpferische Toposvariationen in der Lyrik des 18. und 19. Jahrhunderts. In: Alterstopoi. Das Wissen von den Lebensaltern in Literatur, Kunst undTheologie. Berlin, 187–219.
Im Projekt organisierte Tagungen, Workshops, Seminare:
Tagung: "Alterszäsuren. Zeit und Lebensalter" (PDF) (23. - 25.9.2009, Heidelberg)
Interdisziplinäres Symposium: "Alterstopoi. Neues im alten Wissen von den Lebensaltern" (PDF) (13. - 14.3.2008, Freiburg)
KollegiatInnen:
- Dr. Thorsten Fitzon
- Dr. Dorothee Elm von der Osten
- Dr. Kathrin Liess
- Dr. Sandra Linden