Laufzeit 2019-2022
Wie beeinflusst die Gruppenzusammenstellung die kollektive Wahrnehmung und Entscheidungsfindung?
Dezentrale Systeme bestehen aus einzelnen Einheiten, die ihr Verhalten aufeinander abstimmen müssen, um als ein Ganzes funktionieren zu können. Dies kann sich auf viele verschiedene biologische Organisationsebenen beziehen, von zellulären bis hin zu organismischen, aber auch auf humane Gesellschaften und technologische Systeme. Zwei gemeinsame Aspekte dezentralisierter Systeme sind, dass sich Individuen in ihrem Verhalten unterscheiden und dass die Resonanz der Gruppe von einem effizienten Zusammenschluss vieler individueller Reaktionen abhängt, die jeweils nur auf der Grundlage lokal verfügbarer Informationen erfolgen.
Epithelzellen und Honigbienenvölker sind zwei biologische Systeme, die dezentrale kollektive Sensoralgorithmen nutzen. Epithelzellen sind die Zellen, die die Organe des Körpers schichten und ihr Verhalten koordinieren müssen, um gesundes Gewebe zu erhalten. Während der Wundheilung wechseln bestimmte Zellen ihren Phänotyp zu dem einer „Leit-“ Zelle, die sich von den anderen hinsichtlich ihrer physikalischen Zusammensetzung und Morphologie unterscheidet. Diese leiten andere Zellen an, um eine Wunde zu schließen. Honigbienen sind eusoziale Insekten, die als Reaktion auf die gegenwärtigen Bedingungen und die Bedürfnisse der Kolonie Aufgaben an verschiedene Gruppenmitglieder zuweisen. Wenn beispielsweise in der Umgebung reichlich Nektar vorhanden ist, müssen die Sammler schnell zur Nektarsammlung aktivieren, während Bienen mittleren Alters im Bienenstock den ankommenden Nektar abladen und verarbeiten müssen.
Sowohl bei Zellen als auch bei Bienen unterscheiden sich Individuen in ihrem Verhalten und ändern ihren Verhaltensphänotyp basierend auf Faktoren, die über die Dimension eines einzelnen Individuums hinausgehen. Wie aber können Zellen den Bewegungszustand der Gruppe in Bezug auf die Wundgeometrie erfassen, um dann zu „entscheiden“, welche Zellen „Leit-“ Zellen werden? Wie können Bienen innerhalb ihres Volkes Umweltveränderungen erkennen und auf diese reagieren, die im Grunde nur die Sammler direkt erlebt haben? In diesem Projekt werden diese beiden experimentellen Modellsysteme verwendet, um einen Vergleich von kollektiven Wahrnehmungs- und Gruppenverhaltensmechanismen mit Fokus auf die folgenden drei Hauptfragen anzustellen:
- Inwiefern unterscheiden sich die Individuen innerhalb der Gruppe voneinander?
- Welche Faktoren treiben die Aufgaben-/Typendifferenzierung voran?
- Wie wirkt sich die Gruppenzusammensetzung auf die Funktion und Reaktion auf externe Störungen aus?