In den ersten drei geförderten Projektjahren haben wir Ansätze aus der Linguistik, Biologie und Physik zusammengeführt, um kollektives Entscheiden transdisziplinär zu modellieren. Ziel der ersten Phase unseres interdisziplinären Projekts war es, ein transdisziplinäres Modell zu entwickeln, in dem Ansätze aus der (1) Linguistik zu kommunikativen Praktiken kollektiven Entscheidens, aus der (2) Biologie zu evolutionären Anpassungsprozessen (Adaptation) in Populationen und aus der (3) Physik zu emergenten Eigenschaften von selbstorganisierten dynamischen Vielteilchen-Systemen zusammengeführt werden. Im interdisziplinären Austausch fokussierten wir theoretische Ansätze und methodische Verfahren und nutzten Synergieeffekte, die zwischen den Disziplinen entstehen. In einer gemeinsamen Monographie „Collective Decision Making. A transdisciplinary Exchange between Linguistics, Biology and Physics“ präsentieren wir in zwei Buchabschnitten die Ergebnisse unserer Arbeit, die in einer Darstellung des transdisziplinären Modells auf abstrakt-konzeptioneller Ebene münden.
In der beantragten Projektverlängerung von zwei Jahren soll nun davon ausgehend das transdisziplinäre Modell durch einen konkreten Fokus angewendet, differenziert und modifiziert werden. Um dies gewährleisten zu können, reduziert sich das Projekt auf die Zusammenarbeit von Linguistik und Physik, wobei die biologischen Konzepte aus den ersten drei Projektjahren nachhaltig genutzt werden. Wir untersuchen Meinungsbildung als zentrale Form kollektiven Entscheidens aus diskurs-/soziolinguistischer und (sozio-)physikalischer Perspektive. Als konkrete Methode verwenden wir einen netzwerkanalytischen Ansatz, um am Beispiel von Twitterkommunikation und dem Coronapandemiediskurs einen stetigen methodischen Wechsel zwischen agenten-basierten Simulationen in der Physik und empirischen Analysen von Entscheidungskommunikationsverläufen in der Linguistik durchzuführen. Dieser Fokus auf einer linguistisch-physikalisch motivierten Analyse von Meinungsbildung ist ein echtes Desiderat.