Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis

Verabschiedet vom Plenum der Akademie am 22. Juli 2023.

Die Mitgliederversammlung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat 1998 Empfehlungen zur Selbstkontrolle der Wissenschaft verabschiedet. Im Sommer 2018 hat die DFG deren Überarbeitung beschlossen. Die Neufassung der Denkschrift von 1998, jetzt Kodex genannt, trägt den Titel „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“. Sie wurde am 3. Juni 2019 von der Mitgliederversammlung der DFG verabschiedet. Die DFG hat sich außerdem eine Verfahrensordnung zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten gegeben.

Als Mitgliedseinrichtung der DFG betrachtet die Heidelberger Akademie der Wissenschaften die Leitlinien der DFG als für ihre eigene wissenschaftliche Arbeit verbindlich.

Die nachfolgenden Richtlinien passen die Leitlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft an die Gegebenheiten der Heidelberger Akademie an, für deren wissenschaftliche Arbeit das Gelehrtengespräch in den Klassen und im Plenum, die wesentlich durch das auf Geistes- und Sozialwissenschaften ausgerichtete Akademienprogramm geprägte Arbeit ihrer Forschungsstellen und das WIN-Programm konstitutiv sind. Die Richtlinien sind für alle an der wissenschaftlichen Arbeit der Akademie Beteiligten verbindlich. Zu ihrer Interpretation sind gegebenenfalls die Leitlinien der DFG mit den Erläuterungen heranzuziehen. Die Verfahrensordnung ist berücksichtigt, soweit ihre Regelungen nicht ausschließlich auf die DFG selbst bezogen sind.

Erster Abschnitt - Prinzipien

I. Verpflichtung auf die Regeln Guter wissenschaftlicher Praxis (DFG-Leitlinie 1)

Die Heidelberger Akademie der Wissenschaften legt, orientiert an den Leitlinien der DFG zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, im Folgenden die Regeln fest, die für jede Wissenschaftlerin und jeden Wissenschaftler – unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Fachgebiets – verpflichtende Grundlage für die Arbeit an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sind. Sie trägt Sorge für die Bekanntmachung der Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis in geeigneter Form.

Soweit sinngemäß anwendbar gelten die Richtlinien für

  • Personen, die Förderungsanträge bei der Akademie stellen
  • Personen, die von der Akademie gefördert werden
  • Personen, die für die Akademie gutachtlich tätig sind
  • Personen, die in Gremien der Akademie an Begutachtungs- und Bewertungsverfahren mitwirken,

auch wenn sie nicht Mitglied der Akademie oder an der Akademie angestellt sind.

II. Berufsethos (Leitlinie 2)

Alle an der Akademie wissenschaftlich Tätigen sind dafür verantwortlich, dass in ihrer Arbeit die für die Wissenschaft grundlegenden Werte geachtet und die Normen wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten werden. Die erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. direkten, fachlichen Vorgesetzten stehen mit den noch am Anfang der Karriere stehenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über die Einhaltung der grundlegenden Werte und Normen wissenschaftlichen Arbeitens zum frühestmöglichen Zeitpunkt kontinuierlich im Austausch.

Gute wissenschaftliche Arbeit bedeutet, sich stets am Stand der Forschung zu orientieren, die eigene Vorgehensweise ständig zu überdenken und die eigenen Ergebnisse selbstkritisch zu überprüfen. Die Auseinandersetzung mit Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitenden, Konkurrentinnen und Konkurrenten sowie Vorgängerinnen und Vorgängern ist redlich zu führen. Vor allem ist auszuweisen, welche Ergebnisse aus den Forschungen anderer übernommen wurden. Der kritische Diskurs innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft ist zu suchen.

Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört die Kontrolle durch Dritte. Dafür ist Offenheit gegenüber Kritik und Zweifeln ebenso gefordert wie Sorgfalt, Uneigennützigkeit und Unvoreingenommenheit bei der Begutachtung der Arbeit von Kolleginnen und Kollegen.

III. Organisationsverantwortung der Leitung wissenschaftlicher Einrichtungen (Leitlinie 3)

Die Leitung der Akademie schafft die Rahmenbedingungen für gutes wissenschaftliches Arbeiten. Sie trägt die Verantwortung für eine den Aufgaben der Akademie angemessene Organisationsstruktur. Sie trägt dafür Sorge, dass in den Projekten, Vorhaben und Initiativen die Aufgaben der Leitung, Aufsicht, Konfliktregelung und Qualitätssicherung eindeutig zugewiesen sind und den jeweils Beteiligten in geeigneter Weise vermittelt werden.

Sie gestaltet die Prozesse der Personalauswahl und der Personalentwicklung offen und transparent.

Die Akademie gewährleistet Chancengleichheit, insbesondere auch der Geschlechter. Sie diskriminiert nicht. Sie fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs unter anderem dadurch, dass sie junge und erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu stetigem Austausch zusammenführt. Sie bietet Möglichkeiten der Weiterbildung für alle Beschäftigten an.

Zu den Leitungsaufgaben in der Akademie gehört es, auf allen Ebenen darauf zu achten, dass Abhängigkeitsverhältnisse nicht ausgenutzt werden.

IV. Verantwortung der Leitung von Arbeitseinheiten (Leitlinie 4)

Die Leitungen der Forschungsstellen sind für die Binnenorganisation der Forschungsstellen verantwortlich. Sie sollen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die bestmöglichen Voraussetzungen für die Erfüllung ihrer Aufgaben bieten.

Die Karriere der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll gemäß den an der Akademie gegebenen Möglichkeiten gefördert werden. Die Akademie kann für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die promovieren oder sich habilitieren, als nicht selbst graduierende Institution keine alleinige promotions- oder habilitationsvorbereitende Betreuung übernehmen. Die jeweiligen Projektleitungen sowie Arbeitsgruppenmitglieder stehen jedoch für eine angemessene individuelle Betreuung zur Verfügung.

V. Leistungsdimensionen und Bewertungskriterien (Leitlinie 5)

Für die Bewertung der Leistung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden unterschiedliche Kriterien berücksichtigt. Bei Einstellungen und in anderen Zusammenhängen, bei denen Leistung- und Bewertungskriterien herangezogen werden, haben Originalität und Qualität stets den Vorrang vor rein quantitativen Kriterien. Neben den qualitativen Maßstäben können aber quantitative Indikatoren differenziert und reflektiert zur Gesamtbewertung herangezogen werden. Weitere Leistungsaspekte wie etwa individuelles Engagement in unterschiedlichen Bereichen können gewürdigt werden. Ebenso können Besonderheiten der Lebensläufe im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes in die Urteilsbildung einbezogen werden.

VI. Ombudspersonen (Leitlinie 6)

Zur Beratung, Vorprüfung und Schlichtung von Konfliktfällen in Fragen guter wissenschaftlicher Praxis wählt das Plenum der Akademie aus der Mitte der Mitglieder eine qualifizierte Ombudsperson. Für den Fall der Befangenheit oder Verhinderung ist eine Vertretung vorzusehen. Die Amtszeit der Ombudsperson und von deren Vertretung beträgt vier Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Die Ombudsperson und deren Vertretung dürfen nicht zeitgleich Mitglied eines anderen zentralen Gremiums der Akademie sein. Bei der Auswahl der Ombudsperson und deren Vertretung ist eine Ämterkollision zu vermeiden. Die Ombudsperson und deren Vertretung werden auf der Website der Akademie bekannt gegeben.

Die Ombudsperson hat insbesondere die Aufgabe, bei einem an sie herangetragenen Verdacht auf Verstöße gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis den Beteiligten als Ansprechpartner unter strikter Wahrung der Vertraulichkeit beratend zur Verfügung zu stehen. Soweit möglich wird sie bei einem wissenschaftlichen Fehlverhalten mit dem Ziel einvernehmlicher Konfliktlösung vermittelnd tätig oder leitet die Verdachtsfälle über den Vorstand an die Kommission Gute wissenschaftliche Praxis der Akademie weiter. Die Ombudsperson erhält die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderliche Unterstützung.

Alle Angehörigen der Akademie haben das Recht, sich an die Ombudsperson der Akademie oder an das von der DFG eingesetzte Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“ zu wenden.

Zweiter Abschnitt - Forschungsprozess

VII. Phasenübergreifende Qualitätssicherung (Leitlinie 7)

Die Akademie trifft Vorsorge dafür, dass die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit während des ganzen Forschungsprozesses gemäß den fachspezifischen Standards kontrolliert wird. Die Herkunft der im Forschungsprozess verwendeten Daten und Materialien wird ausgewiesen und die Nachnutzung belegt; Originalquellen werden zitiert. Eingesetzte Software mit öffentlich zugänglichem Quellcode muss dokumentiert werden und zitierbar sein.

Stellen sich im Nachhinein Fehler oder Unstimmigkeiten bei Forschungsergebnissen, die schon in der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, heraus, so sorgt die Akademie so rasch wie möglich für Aufklärung und gegebenenfalls Berichtigung.

Dass Forschungsergebnisse durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüft werden können, ist essenzieller Bestandteil der Qualitätssicherung.

Die Begleitung der Langzeitprojekte des Akademienprogramms durch Kommissionen, in die besonders ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berufen werden, ist eine akademiespezifische Form der Sicherung der Qualität der wissenschaftlichen Arbeit.

VIII. Akteure, Verantwortlichkeiten und Rollen (Leitlinie 8)

Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten aller an einem Forschungsvorhaben Beteiligten müssen eindeutig festgelegt sein. Alle Beteiligten sind in die dafür notwendigen Absprachen einzubeziehen. Ein regelmäßiger Austausch unter den Beteiligten stellt sicher, dass notwendige Anpassungen vollzogen werden.

IX. Forschungsdesign (Leitlinie 9)

Bei der Planung eines Vorhabens stellen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den aktuellen Forschungsstand umfassend dar und erkennen ihn an. Die gründliche Recherche nach bereits öffentlich zugänglichen Forschungsleistungen gilt als Voraussetzung für die Identifikation relevanter und geeigneter Forschungsfragen. Die Akademie trägt die Verantwortung für die erforderlichen Rahmenbedingungen. In Bezug auf Methoden, Arbeitsprogramm, Ziele oder ähnliche Punkte prüfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, inwiefern Geschlecht und Vielfältigkeit für das Forschungsvorhaben bedeutsam sein können. Um mögliche Verzerrungen bei der Interpretation von Forschungsergebnissen zu vermeiden, werden entsprechende Methoden angewandt.

X. Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen (Leitlinie 10)

Die Akademie achtet darauf, dass die in ihren Forschungsvorhaben tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der ihnen verfassungsrechtlich gewährten Forschungsfreiheit verantwortlich umgehen; dass sie Rechte und Pflichten, die sich aus gesetzlichen Vorgaben oder aus Verträgen mit Dritten ergeben, beachten und dass sie, soweit erforderlich, Genehmigungen und Ethikvoten einholen. Zu den rechtlichen Rahmenbedingungen eines Forschungsvorhabens zählen auch dokumentierte Vereinbarungen über die Nutzung an den aus ihm hervorgehenden Forschungsdaten. Insbesondere der Wissenschaftlerin, dem Wissenschaftler, die/der sie erhebt, steht die Nutzung der Daten zu. Ob Dritte Zugang zu den Daten erhalten sollen, entscheiden die Nutzungsberechtigten. Sie setzen ihr Wissen und ihre Erfahrung für die Abschätzung und Bewertung der Forschungsfolgen (z. B. der Gefahr des Missbrauchs ihrer Forschung) für ein Forschungsvorhaben ein.

XI. Methoden und Standards (Leitlinie 11)

Die in der Akademie tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwenden in ihren Forschungsarbeiten Methoden, die den Standards ihres Faches entsprechen. Sie stellen sicher, dass der Forschungsprozess nachvollziehbar ist. Transparenz der Arbeitspraxis ihrer Forschungsstellen ist der Akademie wichtig; dies insbesondere dort, wo neue Wege beschritten werden.

XII. Dokumentation (Leitlinie 12)

Die Dokumentation von Forschungsergebnissen durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist grundlegend und erforderlich. Dabei werden auch Einzelergebnisse dokumentiert, welche die Forschungshypothese nicht stützen. Eine Selektion der Dokumentation ist in diesem Kontext zu unterbleiben. In der Dokumentation wird nachvollziehbar dargelegt, welche Forschungsdaten verwendet, generiert und ausgewertet wurden, sowie welche daraus entstanden sind. Ziel ist es u. a. eine nachvollziehbare Replikation des Forschungsweges für Dritte zu ermöglichen. Die Dokumentation wird nach den konkreten im Fachgebiet vorhandenen Vorgaben durchgeführt. Wird die Dokumentation von Forschungsergebnissen den entsprechenden (fachlichen) Vorgaben nicht gerecht, werden die Einschränkungen und Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt. Bei der Entwicklung von Forschungssoftware wird auch der Quellcode aufgenommen. Die Dokumentationen und Forschungsergebnisse werden so gut wie möglich gegen Manipulationen geschützt.

XIII. Herstellung von öffentlichem Zugang zu Forschungsergebnissen (Leitlinie 13)

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen bringen die in ihren Forschungsvorhaben erarbeiteten Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs ein. Sie treffen die Entscheidung, ob wissenschaftliche Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht werden unabhängig von Dritten. Die öffentlich zugänglich gemachten Ergebnisse werden von ihnen vollständig beschrieben. Dazu gehört auch der vollständige und korrekte Nachweis eigener und fremder Vorarbeiten anhand der den Ergebnissen zugrundeliegenden Forschungsdaten und Materialien, der angewandten Methoden sowie der eingesetzten Software. Der Nachweis der Zitierpflicht besteht nicht bei eigenen, bereits öffentlich zugänglich gemachten Ergebnissen, wenn disziplinspezifisch darauf verzichtet werden kann. Selbstzitationen sind auf das Mindestmaß zu beschränken.

Dem Gedanken „Qualität vor Quantität“ Rechnung tragend, vermeiden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unangemessen kleinteilige Publikationen.

Für die Anschlussfähigkeit der Forschung und die Nachnutzbarkeit der für die Veröffentlichung zugrundeliegenden Forschungsdaten und -materialien bringen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese auffindbar, zugänglich, interoperabel und wiederverwendbar (gemäß den FAIR-Prinzipien) möglichst in etablierten Archiven und Repositorien ein.

XIV. Autorenschaft (Leitlinie 14)

Autorin oder Autor ist, wer einen genuinen, nachvollziehbaren Beitrag zu dem Inhalt einer wissenschaftlichen Text-, Daten- oder Softwarepublikation geleistet hat. Ein genuiner Beitrag liegt insbesondere vor, wenn eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler in wissenschaftserheblicher Weise an

  • der Entwicklung und Konzeption des Forschungsvorhabens oder
  • der Erarbeitung, Erhebung, Beschaffung, Bereitstellung der Daten, der Quellen, der Software oder
  • der Analyse/Auswertung oder Interpretation der Daten, Quellen und an den aus diesen folgenden Schlussfolgerungen oder
  • am Verfassen des Manuskripts

mitgewirkt hat.

Reicht ein Beitrag zu der Publikation für eine Autorschaft nicht aus, wird die Unterstützung z. B. in Fußnoten, Vorworten oder Acknowledgements anerkannt. Eine Leitungs- oder Vorgesetztenfunktion begründet für sich allein keine Mitautorschaft. Eine Ehrenautorschaft ist nicht zulässig.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verständigen sich rechtzeitig anhand nachvollziehbarer Kriterien unter Berücksichtigung der Konventionen jedes Fachgebiets, wer Autorin oder Autor wird. Alle Autorinnen und Autoren tragen in der Regel die gemeinsame Verantwortung für die Publikation. Sie verständigen sich über die Reihung ihrer Namen und wirken bei Verlagen und Infrastrukturanbietern auf eine richtige Zitierweise hin. Die Weigerung zur Zustimmung einer Publikation von Ergebnissen muss mit einer nachprüfbaren Kritik hinreichend begründet werden.

XV. Publikationsorgan (Leitlinie 15)

Autorinnen und Autoren wählen unter den verschiedenen Publikationsmöglichkeiten nach Qualität und Sichtbarkeit die entsprechenden Publikationsorgane und Publikationsformate sorgfältig aus. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Akademie, die die Funktion von Herausgeberinnen oder Herausgebern übernehmen, prüfen genau, für welche Publikationsmöglichkeiten sie die Herausgeberschaft übernehmen. Als Hinweis für die Seriosität eines Publikationsorgans dienen dessen eigene Richtlinien zur guten wissenschaftlichen Praxis. Die wissenschaftliche Qualität eines Beitrags soll unabhängig von dem Organ sein, in dem er veröffentlicht wird. Zu möglichen Publikationsorganen zählen auch Fachrepositorien, Daten- oder Softwarerepositorien sowie Blogs. Unbekannte Publikationsorgane werden auf ihre Seriosität geprüft.

XVI. Vertraulichkeit und Neutralität bei Begutachtungen und Beratungen (Leitlinie 16)

Sind Akademiemitglieder für die Akademie gutachtlich tätig, so sind sie zur Wahrung strikter Vertraulichkeit verpflichtet. Das gilt insbesondere für gutachtliche Äußerungen über Personen, über Förderanträge oder Manuskripte. Die Vertraulichkeit dieser fremden Inhalte, zu welchen die Akademiemitglieder Zugang erlangen, schließt die Weitergabe an Dritte und die eigene Nutzung aus. Sie sind ebenfalls zur Offenlegung aller Tatsachen verpflichtet, die eine Befangenheit begründen könnten. Diese Pflichten gelten in gleicher Weise für die, die in Gremien an entsprechenden Beratungen und Entscheidungen mitwirken.

XVII. Archivierung (Leitlinie 17)

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sichern öffentlich zugänglich gemachte Forschungsdaten und Forschungsergebnisse sowie die zugrundeliegenden, zentralen Materialien und gegebenenfalls eingesetzte Forschungssoftware gemäß den Standards des jeweiligen Fachgebiets. Liegen nachvollziehbare Gründe vor, bestimmte Daten nicht aufzubewahren, legen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dies dar. Die Akademie stellt die erforderliche Infrastruktur gemeinsam mit Kooperationspartnern zur Verfügung. Die Archivierung erfolgt gemäß den geltenden Standards des betroffenen Fachgebiets. Beginnend mit dem Datum der Herstellung des öffentlichen Zugangs werden sie in der Regel zehn Jahre aufbewahrt. Verkürzte Aufbewahrungsfristen werden nachvollziehbar beschrieben.

Dritter Abschnitt - Nichtbeachtung guter wissenschaftlicher Praxis

XVIII. Hinweisgebende und von Vorwürfen Betroffene (Leitlinie 18)

Über einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens werden zuerst die Ombudsperson der Akademie oder das von der DFG eingesetzte Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“ informiert. Sie achten bei der Behandlung des Verdachts sowohl auf den Schutz der Hinweisgebenden als auch auf den Schutz der Betroffenen. Für die Untersuchung des Verdachts gelten die Grundsätze der Vertraulichkeit und der Unschuldsvermutung.

Der Hinweis auf wissenschaftliches Fehlverhalten muss in gutem Glauben erfolgen. Er muss auf objektive Anhaltspunkte für ein wissenschaftliches Fehlverhalten gestützt sein. Die untersuchende Instanz behandelt den Namen der Hinweisgebenden vertraulich. Hält sie es für erforderlich, sie offenzulegen, so sind die Hinweisgebenden zuvor davon in Kenntnis zu setzen. Sie können die Anzeige zurückziehen. Hinweisgebende sind auch dann zu schützen, wenn der Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten sich nicht bestätigt, sofern die Anzeige in gutem Glauben erfolgt ist. Die Anzeige soll weder für die Hinweisgebenden noch für die von den Vorwürfen Betroffenen Nachteile für das eigene wissenschaftliche oder berufliche Fortkommen nach sich ziehen.

Der Vorstand der Akademie entscheidet, ob auch anonyme Anzeigen überprüft werden. Eine anonyme Anzeige kann nur dann in einem förmlichen Verfahren überprüft werden, wenn die Hinweisgebenden belastbare und hinreichend konkrete Tatsachen vorgebracht haben. Ein Verfahren kann nicht eröffnet werden, wenn die Betroffenen sich gegen die anonym erhobenen Vorwürfe wegen ihrer Anonymität nicht angemessen verteidigen können.

Den Betroffenen sollen keine Nachteile aus der Untersuchung erwachsen, bis ein wissenschaftliches Fehlverhalten förmlich festgestellt ist. Insbesondere sollen Verzögerungen in Prüfungs- und Qualifizierungsverfahren vermieden werden. Die Untersuchung soll bis zu ihrem förmlichen Abschluss keinen Einfluss auf Arbeitsbedingungen oder etwa anstehende Vertragsverlängerungen haben.

Haben die Hinweisgebenden sich an die Öffentlichkeit gewandt, so entscheidet der Vorstand über das weitere Vorgehen.

XIX. Verfahren in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens (Leitlinie 19)

Die Akademie etabliert hiermit ein Verfahren zum Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. In einem Regelwerk legt sie solche vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstöße nieder, die als wissenschaftliches Fehlverhalten gelten. In Verfahrensvorschriften werden insbesondere Regelungen zur Zuständigkeit für jeden Verfahrensabschnitt, zu Befangenheiten, zur Beweiswürdigung sowie zu rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen niedergelegt.

Den Betroffenen sowie den Hinweisgebenden wird in jeder Verfahrensphase Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Bis zum Nachweis eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens werden die Angaben über die Beteiligten des Verfahrens und die bisherigen Erkenntnisse vertraulich behandelt. Die Akademie setzt den Rahmen für eine möglichst zeitnahe Durchführung des gesamten Verfahrens und unternimmt die erforderlichen Schritte zum Abschluss jeden Verfahrensabschnitts innerhalb eines angemessenen Zeitraums.

Vierter Abschnitt - Die Verfahrensvorschriften

XX. Der Anwendungsbereich

Das Verfahren bei Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist anzuwenden auf

  • die Mitglieder der Akademie
  • die Angestellten der Akademie
  • Personen, die Förderungsanträge bei der Akademie stellen
  • Personen, die von der Akademie gefördert werden
  • Personen, die für die Akademie gutachtlich tätig sind
  • Personen, die in Gremien der Akademie an Begutachtungs- und Bewertungsverfahren mitwirken

XXI. Das wissenschaftliche Fehlverhalten

1. Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn jemand in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig

  • Falschangaben macht
  • sich fremde wissenschaftliche Leistungen unberechtigt zu eigen macht
  • die Forschungstätigkeit anderer beeinträchtigt.

Als Falschangabe gilt insbesondere

  • das Erfinden von Daten und/oder Forschungsergebnissen
  • das Verfälschen von Daten und/oder Forschungsergebnissen
  • eine unrichtige Angabe in einem Förderantrag oder im Rahmen von Berichtspflichten, soweit diese wissenschaftsbezogen sind.

Als unberechtigtes Zu-eigen-Machen fremder wissenschaftlicher Leistungen gilt insbesondere

  • die Übernahme von Inhalten Dritter ohne die gebotene Quellenangabe (Plagiat)
  • die Ausbeutung von Forschungsansätzen und Ideen anderer (Ideendiebstahl))
  • die unbefugte Weitergabe von Daten und Erkenntnissen anderer an Dritte
  • die verfälschende Wiedergabe von Forschungsergebnissen Dritter
  • die unbefugte Veröffentlichung von Forschungsansätzen oder Forschungsergebnissen Dritter

Als Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit anderer gilt insbesondere

  • die Beschädigung oder Zerstörung von Manuskripten, Dateien oder zu Forschungszwecken benötigten Gegenständen
  • die Verfälschung oder unbefugte Beseitigung von Forschungsdaten, Forschungsdokumenten oder Forschungsdokumentationen

2. Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt auch vor, wenn eine Person im Rahmen ihrer Tätigkeit in der Akademie in der Absicht, sich oder jemand anderem einen Vorteil zu verschaffen, wider besseres Wissen Tatsachen nicht offenlegt, die auf wissenschaftliches Fehlverhalten im Bereich der Akademie hinweisen.

3. Als wissenschaftliches Fehlverhalten kann bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gewertet werden

  • die Mitautorschaft an einer Veröffentlichung, die Falschangaben oder unberechtigt angeeignete fremde wissenschaftliche Leistungen enthält
  • die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht, wenn eine andere Person objektiv den Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens erfüllt und dies durch die erforderliche und zumutbare Aufsicht verhindert oder wesentlich hätte erschwert werden können.

4. Bei Personen, die für die Akademie gutachterlich tätig sind oder in Gremien mit gutachterlichen und bewertenden Aufgaben mitwirken, ist als wissenschaftliches Fehlverhalten anzusehen

  • die unbefugte Verwertung von Daten oder Erkenntnissen, von denen sie im Rahmen ihrer gutachterlichen Tätigkeit Kenntnis erlangt haben, für eigene wissenschaftliche Zwecke
  • die Weitergabe von Anträgen oder darin enthaltenen Daten und Erkenntnissen an Dritte
  • die Verletzung der Vertraulichkeit der Beratungen
  • das Nicht-offen-Legen von Tatsachen oder Umständen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können.

5. Bewusst unrichtige oder mutwillig erhobene Vorwürfe können selbst ein wissenschaftliches Fehlverhalten begründen.

Letztentscheidend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

XXII. Das Verfahren

  1. Vorprüfung
    Wird die Ombudsperson der Akademie über einen Verdachtsfall unterrichtet, so führt sie vertrauliche Gespräche mit den Beteiligten. Sollte sich der Verdacht erhärten, ist die Präsidentin bzw. der Präsident schriftlich zu informieren. Die Präsidentin oder der Präsident beraumt ein Gespräch unter Beteiligung beider Klassensekretare an. Führt auch dieses Gespräch weder zur Ausräumung des Verdachts noch zu einer anderen einvernehmlichen Lösung, leitet sie oder er ein förmliches Verfahren ein.
  2. Förmliche Untersuchung
    Zuständig für die Durchführung einer förmlichen Untersuchung ist die Kommission „Gute wissenschaftliche Praxis“ der Akademie. Sie besteht aus mindestens vier Personen: je einem ordentlichen Mitglied jeder Klasse sowie zwei Mitarbeitenden. Eines der ordentlichen Mitglieder nimmt das Amt eines Vorsitzenden wahr. Die Amtszeit der Kommissionsmitglieder beträgt vier Jahre. Die ordentlichen Mitglieder werden von ihren Klassen gewählt. Die Vertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden vom Personalrat berufen. Im Falle des Anscheins einer Befangenheit bestellt die Kommission Gute wissenschaftliche Praxis eine Vertretung. Mitglieder des Vorstands und die Ombudsperson können nicht in die Kommission entsandt werden.

Die Kommission Gute wissenschaftliche Praxis zieht bei Bedarf weitere Personen mit beratender Stimme hinzu.

Die Kommission Gute wissenschaftliche Praxis berät in nicht-öffentlicher mündlicher Verhandlung. Sie prüft in freier Beweiswürdigung, ob wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt. Die Betroffenen sind anzuhören und können dazu eine Person ihres Vertrauens als Beistand hinzuziehen.

Hält die Kommission Gute wissenschaftliche Praxis mehrheitlich ein Fehlverhalten für hinreichend erwiesen, so legt sie das Ergebnis ihrer Untersuchung dem Vorstand mit einem Vorschlag zum weiteren Verfahren zur Entscheidung vor. Andernfalls wird das Verfahren eingestellt. Das Ergebnis und dessen Begründung sind den Betroffenen schriftlich mitzuteilen.

XXIII. Mögliche Konsequenzen (ggf. Sanktionen) bei wissenschaftlichem Fehlverhalten:

Im Falle wissenschaftlichen Fehlverhaltens sind zunächst alle Schritte einzuleiten, die zum Ausgleich des entstandenen Schadens führen können. Publikationen, die unter Verletzung der genannten Regeln entstanden sind, müssen (falls noch nicht veröffentlicht) zurückgezogen oder (falls veröffentlicht) in einer von der Kommission Gute wissenschaftliche Praxis festgelegten Weise widerrufen bzw. richtiggestellt werden. Dazu kann aus verschiedenen Gründen (etwa zum Schutze Dritter, zur Wahrung des Vertrauens in die wissenschaftliche Redlichkeit der Akademie, zur Wiederherstellung des wissenschaftlichen Rufes oder zur Verhinderung von Folgeschäden) auch gehören, dass eine größere als die spezialisierte fachwissenschaftliche Öffentlichkeit oder der Geldgeber informiert wird. Falls die Geschädigten (wie dies bei Urheberrechtsverletzungen denkbar ist) selbst bislang nicht von ihrer Schädigung erfahren haben, sind auch dieser zu informieren und in Konsultationen über die geeignete Form der Schadensbegrenzung einzubeziehen. Grundsätzlich sind dazu die Autorin oder der Autor sowie die Herausgeberin oder der Herausgeber verpflichtet; werden diese nicht tätig, so leitet die Akademieleitung die Maßnahmen ein.

Erscheinen der Kommission Gute wissenschaftliche Praxis Sanktionen notwendig, so sind diese zunächst im Bereich des Arbeitsrechts zu suchen (Abmahnung, außerordentliche Kündigung, ordentliche Kündigung, Vertragsauflösung).

Für zivil- und strafrechtliche Konsequenzen wissenschaftlichen Fehlverhaltens ist die Akademie nicht zuständig. Wenn jedoch der Verdacht besteht, dass es zur finanziellen, psychischen oder physischen Schädigung von Dritten geführt und die Geschädigten nicht bereits von sich aus Rechtsmittel ergriffen haben, so muss ein Rechtsbeistand eingeschaltet werden, der die weiteren notwendigen Konsequenzen prüft.

Fünfter Abschnitt - Schlussbestimmung

XXIV. Inkrafttreten

Diese Regeln treten nach der Beschlussfassung durch das Plenum der Akademie am Tage ihrer Bekanntmachung in Kraft. Mit dem Inkrafttreten dieser Regeln treten die bisher gültigen Regeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis, verabschiedet in der Geschäftssitzung des Plenums am 27. November 2021, außer Kraft.

Ausgefertigt aufgrund des Beschlusses des Plenums der Akademie vom 22.07.2023.